Koloman-Wallisch-Gedenkweg

Vom Rathaus Bruck an der Mur über Oberaich auf den Hochanger

 

Tafel 1 und Kurzfassung des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Das Demokratieprojekt „Koloman-Wallisch-Gedenkweg“

Die Erneuerung des Gedenkweges
Die Stadt Bruck an der Mur fasste im Jahr 2021 den Beschluss, den im Erinnerungsjahr 1934/2004 realisierten Koloman-Wallisch-Gedenkweg von Oberaich auf den Hochanger neu zu gestalten. Die damalige Initiative ging von der Aktionsgemeinschaft Koloman Wallisch (AGKW) aus. Schüler*innen der BHAK Bruck an der Mur, die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus und die Gemeinde Oberaich setzten im Jahr 2004 das Vorhaben um. Der sprichwörtliche Zahn der Zeit nagte nach knapp zwei Jahrzehnten an den Tafeln, weshalb eine Erneuerung des Weges geboten war.

1934: Widerstand für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat
Der Koloman-Wallisch-Gedenkweg erinnert an den Widerstand für die Demokratie, die im März 1933 mit der Ausschaltung des Parlaments durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß zerstört worden war. Das Ziel des Vorhabens besteht in der Würdigung der Opfer des Widerstandes im Februar 1934. Die Errichtung und die politischen Auswüchse der österreichischen Diktatur von 1933 bis 1938 (Austrofaschismus; Kanzlerdiktatur) eignen sich zudem als Reflexionsfolie für die politische Bildung, um Menschenrechte, Demokratie, Freiheit und Frieden als hart erkämpfte, stets bedrohte Errungenschaften der Menschheit zu begreifen. Der Weg von der Demokratie in die Diktatur lehrt, dass politische Handlungsspielräume genutzt werden müssen, dass Verantwortung als Bürger*innen und Funktionsträger*innen professionell wahrzunehmen ist und dass Ideologien nicht mit einem totalitären Allmachtsanspruch samt Gewaltanwendung zu verstehen sind.

Zeitgeschichtliche Spurensuche
Mit der Umsetzung des Gedenkweges wurde wiederum die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus betraut. Die bewährte Methode, Erinnerungsarbeit als intergeneratives Jugendbeteiligungsprojekt zu verwirklichen, gestattete es den Projektmitarbeiter*innen, sich in verschiedenen Rollen zu beteiligen: Von der Lektüre der Fachliteratur über die zeitgeschichtliche Spurensuche in Archiven, den Reflexions- und Diskussionsprozessen auf Basis der Quellen bis zur Erarbeitung eigener Produkte zu universellen Leitfragen des Widerstreits zwischen Demokratie und Diktaturen. Ein solches Projekt bietet Ankerpunkte für die Entwicklung von Demokratiekompetenz. Die Stadt Bruck an der Mur und die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus danken der AGKW sowie den vier Partnerschulen BAFEP Bruck an der Mur, der Musikschule Trofaiach, der BHAK Eisenerz und der HLW Schrödinger Graz für die engagierte Mitarbeit bei der Erneuerung des Gedenkweges.

Februarkämpfe 1934 beim Kornmesserhaus in Bruck an der Mur. Foto: DÖW

Tafel 2 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Von der Habsburgermonarchie zur Ersten Republik

Von der Großmacht zum Kleinstaat: Der Rest ist Österreich?
Nach der Niederlage der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg löste sich die Österreichisch-Ungarische Monarchie auf. Die deutschsprachigen Abgeordneten des Reichsrates wählten am 30. Oktober 1918 den Staatsrat als Exekutivausschuss. Dieser betraute die Staatsregierung Karl Renner für das mehrheitlich deutschsprachige Gebiet und gelobte diese am 31. Oktober 1918 an. Kaiser Karl verzichtete am 11. November 1918 auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften. Dadurch ermöglichte er die Ausrufung der Republik Deutschösterreich am 12. November 1918.

Ausrufung der Ersten Republik, Schauspielhaus Graz. Foto: Universalmuseum Joanneum Graz/Multimediale Sammlungen

Zäsuren statt Kontinuität
Die Startbedingungen für den neuen Staat konnten kaum widriger sein: Ein von der Donaumonarchie vom Zaun gebrochener und verlorener Weltkrieg mit Millionen Opfern bescherte ein ruinöses „Erbe“. Damit einher ging die Erfahrung von Fremdbestimmung samt – später erlassenen -Reparationszahlungen an die Siegermächte sowie ein auf rund 12{7592663ab5ab7a2bd6a25b50ce64d08ece92f1509fa244c217862ee1a409c6f5} seiner ursprünglichen Größe reduziertes Staatsgebiet. Die vormalige Großmacht schrumpfte vom global player zum Spielball der Großmächte. Hinzu kamen Not und Elend bei kaum vorhandenen sozialen Sicherungssystemen, verquickt mit einer weltweiten Grippepandemie mit mehr Toten als im Weltkrieg.

Mangelndes Österreichbewusstsein und fehlender Glaube an die Überlebensfähigkeit
Im Meer der Herausforderungen mangelte es an einem gefestigten Österreichbewusstsein wie auch am Glauben an die Überlebensfähigkeit des Rumpfstaates. Die Benennung als „Deutschösterreich“ sowie die Formulierung im Artikel 2 des Gesetzes vom 12. November 1918 zur Staats- und Regierungsform als „Bestandteil der Deutschen Republik“ spiegeln das mangelnde Vertrauen in die Vitalität wie auch in eine eigenständige Identität Österreichs. Die Siegermächte verfügten jedoch im Vertrag von Saint-Germain, dass der neu gegründete Staat „Republik Österreich“ heißen müsse und verordneten ein Anschlussverbot an die deutsche Republik. Die Friedensverträge von Versailles und Saint Germain im Jahre 1919 wurden in Österreichwie auch in Deutschland alsbald als Diktatfrieden rezipiert, der den Aufstieg des Faschismus in beiden Staaten begünstigt hat.

 

Tafel 3 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Ihrer Zeit weit voraus: Die Verfassung Hans Kelsens

Im Zeitalter der Extreme
Die Erste Republik war verstrickt in die politische Großwetterlage der Weltgeschichte. Das „kurze 20. Jahrhundert“ – vom Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991 – ist geprägt vom Widerstreit zwischen Demokratie und Diktatur. Die schrittweise Ablösung der Monarchien seit der französischen Revolution 1789 führte nicht immer zu stabilen Demokratien mit Verfassung und Rechtsstaatlichkeit. Die 16 Jahre zwischen der Russischen Oktoberrevolution 1917 und der Macht-ergreifung der Nationalsozialisten 1933 brachte die zwei mächtigsten politischen Gegenspieler der Demokratie in den Rang von Weltmächten: den Faschismus und den von der KPDSU geprägten Kommunismus. Bei aller Differenzierung weisen diese totalitären Ideologien Ähnlichkeiten auf: von der Zerschlagung der Demokratie als Herrschaftsform, der Ausschaltung von Parteienpluralismus, dem Verbot der freien Meinungsäußerung, der Abschaffung von Pressefreiheit, der Einschüchterung und strengen Bestrafung Andersdenkender bis zur politischen Gewalt mit millionenfachem Massenmord.

Foto: Universalmuseum Joanneum Graz/Multimediale Sammlungen

Die Reformpolitik von 1918 bis 1920
Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gewann die ersten Wahlen zur Konstituierenden National-versammlung am 16. Februar 1919 und regierte in Koalition mit der Christlichsozialen Partei bis zum 9. November 1920. Die angespannte innen- und außenpolitische Lage nutzten die Sozialdemokraten, um eine progressive Sozialpolitik voranzutreiben. Diese wurde mit dem Argument vorgetragen, dass nur eine Offensive in der Sozialgesetzgebung die revolutionären Umbruchstendenzen in Schach halten könne. So entstanden Arbeitnehmer- und Mieterschutzgesetze, der Achtstundentag mit 48-Stunden-Woche, das Betriebsrätegesetz, die Arbeitslosenversicherung, ein gesetzlicher Urlaub, das Verbot der Kinderarbeit, die Errichtung der Arbeiterkammer und die Pensionsversicherung.

Alle Bürger*innen sind gleich: die Verfassung von Hans Kelsen
Hans Kelsens Verfassung, die im Kern bis heute gilt, geht von der Idee aus, dass der Staat einem präzisen Regelwerk zu gehorchen hat, wenn er das allgemeine Wohl sichern will. Er kann sich somit nicht auf Gottesgnadentum oder auf die Willkür eines Diktators berufen, um seinen Herrschaftsanspruch zu rechtfertigen. Die Gleichheit der Bürger*innen, am demokratischen Prozess teilzunehmen, ist als Voraussetzung wie auch als Ziel verankert. Die Verfassung inkludiert weiters einen emanzipatorischen Anspruch, wonach benachteiligte Gruppen zu fördern sind. Doch im Alltag verfügte die Demokratie über zu wenig Bodenhaftung: „Demokratie, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel“, lautete ein Slogan der linksradikalen Kräfte, welche die Sozialdemokratie nur mit Mühe an das demokratische Projekt binden konnte. Den Christlichsozialen missfiel das Gleichheitsprinzip aller Bürger*innen ebenso wie der als „sozialer Schutt“ verunglimpfte Ausbau der sozialen Sicherungssysteme. Die Sozialreformen wurden zunächst von den Christlichsozialen mitgetragen. Doch der anschwellende Konflikt „Ausbau versus Rückbau des Sozialstaates“ vertiefte die Gräben zwischen den politischen Lagern. Dazu kam die Stärkung der antidemokratischen Kräfte innerhalb der nationalen und christlichsozial-rechtskonservativen Bewegungen.

Ein Ziel des Rechts- und Sozialstaats nach 1918: Überwindung der Elendsquartiere Foto: Universalmuseum Joanneum Graz/Multimediale Sammlungen

Tafel 4 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Schrittweise Polarisierung zwischen den politischen Lagern

Die Dogmatik unversöhnlicher Ideologien
Der Sturz in den Abgrund der Diktatur vollzog sich nicht schlagartig, sondern in einer Abfolge von unterschätzten Ereignissen. Bundes- und weltpolitische Entwicklungen im „Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawm) waren die Motoren der Erosion. Nach dem Kriegsende galt es, die Grundlagen für Wirtschaft und Arbeit zu schaffen, funktionierende Institutionen und soziale Sicherungssysteme zu etablieren. Dies gelang zunächst trotz widrigster Bedingungen. Die Sozialdemokratie schied 1920 aus der Regierung aus.

Die Gratwanderung zwischen der Pragmatik des Mitregierens mit den Christlichsozialen und dem revolutionären Anspruch des linken Parteiflügels enthielt Sprengstoff. Hinzu kam der dogmatische Glaube Otto Bauers an die marxistische Idee, wonach sich das Absterben des bürgerlichen Staates und die Machtergreifung durch Arbeiter und Bauern selbstläufig ereignen werde. Die zeitweise durchaus als bequem empfundene Oppositionsrolle der Sozialdemokratie habe Werner Anzenberger zufolge zur Polarisierung beigetragen. Die späteren Koalitionsangebote der Christlichsozialen wären von der Sozialdemokratie wohl ernsthafter im Sinne des demokratischen Kompromisses zu verhandeln gewesen. Allerdings waren diese zu wenig konkret. Die hohe Konkurrenz und die geringe Konkordanz zwischen Sozialdemokratie und „Bürgerblock“ förderten das Abgleiten in die Diktatur. Die österreichische Gesellschaft verstrickte sich in eine zunehmende Freund-Feind-Konstellation.

Austromarxismus versus Ständestaat als Bauernhaus
Der Austromarxismus, ein dritter Weg zwischen Kommunismus und Sozialdemokratie, forderte die Umsetzung marxistischer Ideen – wie die Verstaatlichung der Produktions- und Energieunternehmen – auf Basis der „bürgerlichen“ liberalen Verfassung und deren Kernelementen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Den Gegenentwurf repräsentierte Othmar Spanns berufsständische Auffassung einer neu zu ordnenden Gesellschaft unter autoritärer Führung. Diese orientierte sich an den mittelalterlichen Zünften, in denen der Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital in berufsständisch organisierten Institutionen zum Interessensausgleich findet. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Unternehmern und Arbeitern habe der Staat autoritär – das heißt: ohne Einbindung von demokratisch gewählten Parlamenten – zu entscheiden. An die Stelle einer um Interessensausgleich ringenden Gesellschaft tritt die soziale Volksgemeinschaft.

Paramilitärische Wehrverbände als Brandbeschleuniger
Zu den unversöhnlichen Ideologien und zum Vertrauensverlust zwischen den Parteien kam die Zunahme von Gewalt in der politischen Arena. Die im Jahr 1920 gegründeten Heimwehren bzw. der 1923 gegründete Republikanische Schutzbund waren ein Widerspruch zum Gewaltmonopol des Staates. Die Heimwehren verwandelten sich alsbald zu einem Repressionsinstrument gegen die Emanzipationsbestrebungen der Arbeiterschaft. Mehrmals proklamierten sie den „Marsch auf Wien“ nach dem Muster des italienischen Faschismus. Bei der Verlesung des „Korneuburger Eides“ am 18. Mai 1930 begehrten sie einen „Volksstaat der Heimwehren“. Dieser Eid gab eine antipluralistische, antidemokratische, antiliberale und antisozialistische Zielrichtung vor. Der Schutzbund, gegründet zur Verteidigung von Demokratie, Rechtsstaat und sozialen Schutzgesetzen, verstand sich als Gegengewicht zu den Heimwehren und wurde im Linzer Parteiprogramm 1926 zur Abwehr faschistischer Angriffe auf die Demokratie verankert. Die Militarisierung und Radikalisierung „der Straße“ waren Brandbeschleuniger für den Untergang der Ersten Republik.

Die Verhaftung des ehemaligen St. Michaeler Bürgermeisters und Schutzbundführers Anton Klingenbacher auf der Schaffer Alm. Foto: DÖW

Tafel 5 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Gewalt in der Sprache, Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit

Rabiate Rhetorik als Öl im Feuer von Krisen
Otto Bauers illusionäres Vertrauen in die Ablösung des kapitalistischen durch ein sozialistisches System – allein durch taktisches Zuwarten – erwies sich als verhängnisvolle Fehleinschätzung. Die autoritär gesinnten, rechtsradikalen Kräfte in den deutschnationalen und christlichsozialen Parteiapparaten konnten inzwischen ihre Offensive für die Errichtung einer Diktatur vorantreiben. Im Rückblick erweist sich das sozialdemokratische Linzer Programm 1926 insofern als konfliktverschärfend, als darin eine klassenkämpferische Rhetorik verwendet wird, die das sprichwörtliche Wasser auf die Mühlen von Gegner*innen und potenziellen Wähler*innen lieferte. Die Parole von der „Diktatur des Proletariats“ wurde von vielen nicht-sozialistischen Bürger*innen als Fehdehandschuh aufgegriffen. Im Sinne einer „wehrhaften Demokratie“ ist das Programm allerdings nicht zu beanstanden: Wenn allerdings verfassungsfeindliche Kräfte versuchen sollten, die Verfassung zu beseitigen, darf der demokratische Widerstand diese Feinde der Demokratie von der parlamentarischen Willensbildung ausschließen.

Koloman Wallisch hält die Trauerrede für die Opfer des Pfrimer Putsches 1931. Foto: DÖW

Vom Schusswechsel in Schattendorf zum Brand des Justizpalastes
Eine Verkettung nebensächlicher Ereignisse führte zur Eskalation. Obwohl die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Christlichsozialen im Burgenland den Aufmarsch von Heimwehr und Schutzbund gemeinsam unterbunden hatten, führten die Provokationen der Frontkämpfervereinigung zur Gegenreaktion des Schutzbundes. Als am 30. Jänner 1927 Frontkämpfer in Schattendorf auf Angehörige des Schutzbundes feuerten, waren zwei Todesopfer und mehrere Verletzte zu beklagen. Ein Geschworenengericht sprach mit Verweis auf das Notwehrrecht die Angeklagten frei, was die Arbeiterschaft als Fehlurteil interpretierte. Der Angriff der Arbeiter-Zeitung vom 15. Juli 1927 auf die Geschworenen führte zur Mobilisierung der Massen, die den Justizpalast erstürmten. Der Polizeipräsident Schober und der Innenminister Hartleb ließen – in einem völlig unverhältnismäßigen Gewaltexzess – in die Menge schießen. 90 Todesopfer und rund 1.000 Verletzte waren das Ergebnis. Die Sozialdemokratie wiederum musste erkennen, dass sie die Kontrolle über die protestierende Arbeiterschaft verloren hatte. Streiks, Unruhen, bewaffnete Auseinandersetzungen in obersteirischen Gemeinden und der missglückte Putschversuch von Heimwehrführer Walter Pfrimer waren Vorboten des Bürgerkrieges.

Weltwirtschaftskrise erzeugt Massenarbeitslosigkeit
Die weltweite Wirtschaftskrise 1929 ruinierte Betriebe sowie Banken und führte zu hoher Massenarbeitslosigkeit. Zudem verschärfte sie die Polarisierung zwischen den Parteien. Die Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland am 30.1.1933 mit dem Ziel, auf demokratischem Wege die Demokratie zu beseitigen, bedeutete Auftrieb für antidemokratische Parteien in ganz Europa.

Tafel 6 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Fahrlässigkeit und Intrigen: Der Weg zum Verfassungsbruch

Die Ausschaltung des Parlaments
Tumulte bei der Abstimmung am 4. März 1933 betreffend Sanktionen gegen einen Eisenbahnerstreik führten die Republik in den Abgrund: Zuerst legte Präsident Karl Renner und gleich danach die beiden Vizepräsidenten des Parlaments ihre Funktionen nieder. Die Sitzung endete ohne Beschluss über das weitere Procedere. Renners wenig überlegtes Handeln im ohnedies polarisierten Klima schaffte den willkommenen Anlass für Kanzler Dollfuß, um das Parlament an der neuerlichen Zusammenkunft am 15. März 1933 unter Einsatz der Exekutive zu hindern. Die Diktatur von 1934 bis 1938 gründet jedoch auf einem Verfassungsbruch, nicht auf der von Dollfuß behaupteten „Selbstausschaltung des Parlaments“. Die rechtskonservativen Kräfte rechtfertigten die Auflösung des Parlaments damit, dass die Regierung keine andere Möglichkeit gehabt hätte, als auf Basis des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes ohne Parlament zu regieren, was aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht begründbar ist.

Verfassungsbruch, keine „Selbstausschaltung“!
Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Wien, Graz und Innsbruck wiesen bereits im Juni 1933 auf den Verfassungsbruch hin. Die Rechtsgelehrten appellierten vergeblich an Bundespräsident Hermann Miklas, seine Autorität dafür einzusetzen, um der „Zerstörung der wertvollsten Verfassungsgüter und (der) Vernichtung des Rechtsstaates“ Einhalt zu gebieten. Dieser Rechtsmeinung schlossen sich u. a. Hans Kelsen, Ludwig Adamovich, Max Layer, Karl Gottfried Hugelmann, Hans Frisch und Alfred Verdross an. Bundespräsident Miklas tolerierte den Verfassungsbruch, nutzte nicht seinen Handlungsspielraum, um dagegen einzuschreiten. Obwohl eine von über einer Million Menschen unterschriebene Petition ihn aufforderte, die Regierung Dollfuß abzuberufen und auf Vorschlag einer von ihm bestellten Übergangsregierung Neuwahlen zu veranlassen, blieb Miklas weiterhin zögerlich. Diese Untätigkeit ermöglichte es Dollfuß, fortandiktatorisch zu regieren. Der von der Sozialdemokratie oft angekündigte Generalstreik gegen die Auflösung des Parlaments ließ sich nicht umsetzen. Einzelne Proteste blieben ohne Erfolg.

Die Schaffung weiterer Tatsachen zur Beseitigung der Demokratie
Die Regierung Dollfuß setzte weitere Maßnahmen zur endgültigen Beseitigung der Demokratie. Mit nur acht Sitzen im Parlament erhielten die Heimwehren einen Machtzuwachs von vier Schlüsselressorts in der Bundesregierung, darunter jenes für die innere Sicherheit. Heimwehrführer Starhemberg äußerte die öffentliche Vorhersage, dass die Heimwehren zu einer bewaffneten Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie antreten müssen. Viele hart erkämpfte Institutionen der Demokratie wurden binnen weniger Monate durch folgende Einschränkungen abgeschafft bzw. geschwächt: von der Vorzensur der Medien, über die Streikverbotsverordnung, das Verbot des Maiaufmarsches, der Lähmung des Verfassungsgerichtshofes, der Abschaffung der Arbeiterkammer bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei ab dem 12. Februar 1934. Zudem schuf die Regierung das Anhaltelager für politische Häftlinge in Wöllersdorf und führte die Todesstrafe nach Verurteilung durch ein Standgericht wieder ein. Mit dem Erlass der „Mai-Verfassung“ vom 1. Mai 1934, einer Ansammlung von Leerformeln und – wechselweise oft im Widerspruch stehenden – Regelungen, erfolgte die endgültige Verfestigung der Diktatur.

Kriminalbeamte verhindern die Parlamentssitzung 1933. Foto: DÖW

Tafel 7 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Widerstand für eine Demokratie: Die Februarkämpfe 1934

Der Auslöser des Bürgerkriegs: Waffensuche in einem Linzer Arbeiterheim
Am 11. Februar 1934 erklärte Vizekanzler Emil Fey bei einer Gedenkrede in Großenzersdorf: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen, und wir werden ganze Arbeit leisten.“ Eine von der Bundesregierung angeordnete Waffensuche im Linzer Arbeiterheim löste am Tag darauf den bewaffneten Widerstand des Linzer Schutzbundes unter der Führung Richard Bernascheks aus. Obwohl seit der Ausschaltung des Parlaments im Jahr 1933 sich die Spirale der Eskalation immer schneller drehte, erwischte der Beginn der Februarkämpfe die Sozialdemokratie auf dem buchstäblich falschen Fuß. So wurde der Aufruf zum Generalstreik von einem großen Teil der Arbeiter*innen nicht befolgt, wie dies bereits im März 1933 der Fall war. Der Schutzbund war dem Bundesheer, der Polizei und den Heimwehren in militärischer Hinsicht haushoch unterlegen. Die Februarkämpfe entbehrten auf sozialdemokratischer Seite einer bundes- und landesweit koordinierten Führung und Organisation. Nur im „Roten Wien“ sowie in den Arbeiterbezirken in Niederösterreich, Oberösterreich und in der Steiermark konnte der Schutzbund eine Zeitlang den Widerstand aufrechterhalten. Am 17. Februar 1934 hatten die Regierungstruppen die Schutzbündler besiegt.

Gefangene Schutzbündler im Hof des Arbeiterheims Bruck an der Mur. Foto: DÖW

Die Opfer der Februarkämpfe
Die Schätzung der Opferzahlen ist uneinheitlich. Der Historiker Kurt Bauer ermittelte insgesamt 357 Tote. Auf Seiten der Regierungstruppen gab es 112 Tote. Zudem wurden mindestens 112 Unbeteiligte („Zufallsopfer“) getötet. In 44 weiteren Fällen war bisher keine eindeutige Zuordnung möglich. Auf Seiten des Schutzbundes waren 89 Tote zu verzeichnen.

Sepp Linhart fiel beim Sturm des Schutzbundes auf die Gendarmeriekaserne, die vom Bundesheer mit MG beschossen wurde. Fotos: DÖW

Neun vollstreckte Todesurteile
Die Standgerichte verurteilten 24 Personen zum Tode, von denen 15 begnadigt wurden. Neun Schutzbundkämpfer, darunter politische Funktionsträger der Sozialdemokratie, fanden keine Begnadigung und wurden hingerichtet. Karl Münichreiter wurde als Schwerverletzter zum Galgen getragen. Josef Stanek wurde hingerichtet, obwohl er nachweislich an keinen Kampfhandlungen teilgenommen hatte. Die Bundesregierung hielt das Standrecht so lange aufrecht, bis man Koloman Wallisch verhaftet und zum Tode verurteilt hatte. Die Sozialdemokratische Parteileitung unter Otto Bauer und Julius Deutsch floh am 13. Februar 1934 in die Tschechoslowakei. Zahlreiche Sozialdemokrat*innen wechselten in der Folge enttäuscht zur KPÖ, aber auch – wie viele Deutschnationale und Christlichsoziale nach 1938 – zur NSDAP.

Tafel 8 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Die Februarkämpfe 1934 in Bruck an der Mur

Widerstand in 22 obersteirischen Gemeinden
Die obersteirischen Industriebezirke gehörten zu den Zentren der Februarkämpfe. In insgesamt 22 Gemeinden dieser Region leistete der Schutzbund erbitterten Widerstand gegen die Übermacht der Regierungstruppen. In folgenden Gemeinden fanden Kampfhandlungen statt: Bruck an der Mur, Fohnsdorf, Frohnleiten, Judenburg, Kapfenberg, Kindberg, Kirchdorf, Knittelfeld, Leoben, Mitterdorf und Wartberg, Murau, Mürzzuschlag, Niklasdorf, Pöls, Rottenmann, St. Michael i. O., St.Peter-Freienstein, Thörl, Trieben, Turnau, Zeltweg, Zlatten.

12. Februar 1934: Schutzbund übernimmt die Kontrolle in Bruck an der Mur
Sofort nach Ausrufung des Generalstreiks am 12. Februar 1934 versammelten sich die ersten Schutzbündler beim vereinbarten Alarmplatz bei einem Brucker Sägewerk. Beim vergeblichen Versuch, den Gendarmerieposten zu besetzen, wurde der Schutzbündler Sepp Linhart zum ersten von insgesamt zwölf Brucker Todesopfern auf Seiten des Schutzbundes. Nach heftigen Kämpfen gelang es den Kämpfern, die Stadt für einen Tag unter ihre Kontrolle zu bringen. Kurz nach Mittag traf Koloman Wallisch, Landesparteisekretär und Nationalrat der Sozialdemokraten, in Bruck an der Mur ein. Seine Frau Paula Wallisch erinnerte sich an die düsteren Vorahnungen ihres Mannes: Es sei organisierter Selbstmord, gegen so starke Regierungstruppen zu kämpfen. Die Eisenbahner würden dem Aufruf zum Generalstreik nicht folgen, und Wallisch werde nach Niederschlagung des Aufstandes eines der Opfer sein. Wallischs Vorahnungen sollten sich als bittere Wahrheit erweisen.

12. Februar 1934: Rückeroberung der Stadt Bruck durch Regierungstruppen
Bereits in der Nacht zum 13. Februar 1934 rückten Regierungsverbände gegen die Schutzbündler vor, belegten den Brucker Schlossberg und andere Ziele mit Artillerie- und Maschinengewehrfeuer. Die Schutzbündler mussten vor der Übermacht in die Bergwälder rund um Bruck an der Mur fliehen. Auf die Ergreifung Wallischs wurde ein Kopfgeld von 5.000 Schilling ausgesetzt. Die Regierung Dollfuß hielt das Standrecht bis zur Ergreifung und Verurteilung Wallischs aufrecht. Wallischs Fluchtroute führte von Bruck über Oberaich und den Utschgraben auf die Hochalpe, entlang des heutigen Koloman-Wallisch-Gedenkweges. Bei den „Drei Pfarren“ hielt Wallisch seine letzte Rede an seine erschöpften Kampfgefährten. Der Kampf sei verloren, so Wallisch. Nun müsse jeder Schutzbündler versuchen, sein Leben zu retten und der Sozialdemokratie die Treue zu halten.

Flucht, Verrat und Verurteilung zum Tode
Wallisch versuchte der Verhaftung zu entrinnen. Nach Übernachtungen auf Almhütten konnte ein Taxi organisiert werden, mit dem er, seine Frau Paula und Walter Zuleger von Oberaich über den Schoberpass in Richtung Liezen fuhren. Zwei Unfälle mit dem Auto und ein zweifacher Verrat – durch einen Chauffeur der Bundesbahnen und eines Bahnbeamten – führte die Exekutive am 18. Februar 1934 schließlich auf die Spur Wallischs und zu dessen Verhaftung in Ardning. Wallisch wurde am 19. Februar 1934 in einem Standgerichtsprozess in Leoben zum Tode verurteilt und am selben Tag hingerichtet. Bis ins Jahr 1936 wurden hunderte Kampfgefährten Wallischs zu teilweise langjährigen Haftstrafen verurteilt, darunter auch Paula Wallisch.

Bundesheer auf dem Brucker Schlossberg. Foto: DÖW

Tafel 9 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Unvergessene Kämpfer für Freiheit und Demokratie 1934

Unvergessen und für immer in unseren Herzen: die zwölf gefallenen Februarkämpfer des Jahres 1934 aus Bruck an der Mur und die neun von der austrofaschistischen Justiz hingerichteten Freiheitskämpfer des Republikanischen Schutzbundes. Sie starben unter Berufung auf die von Dollfuß und seinem Regime beseitigte demokratische und rechtsstaatliche Verfassung und in Verteidigung von Arbeit, Freiheit und Recht.

Die neun zum Tode verurteilten und hingerichteten Schutzbündler in
Österreich:
Koloman Wallisch – hingerichtet am 19. Februar 1934 in Leoben
Karl Münichreiter – hingerichtet am 14. Februar 1934 in Wien
Georg Weissel – hingerichtet am 15. Februar 1934 in Wien
Emil Swoboda – hingerichtet am 15. Februar 1934 in Wien
Johann Hois – hingerichtet am 16. Februar 1934 in St. Pölten
Viktor Rauchenberger – hingerichtet am 16. Februar 1934 in St. Pölten
Josef Stanek – hingerichtet am 17. Februar 1934 in Graz
Josef Ahrer – hingerichtet am 17. Februar 1934 in Steyr
Anton Bulgari – hingerichtet am 22. Februar 1934 in Linz

Die zwölf gefallenen bzw. hingerichteten Brucker Februarkämpfer:
Sepp Bleiweiss
Karl Brunner
August Fleck
Hans Hahn
Leo Hemmer
Karl Kohlfürst
Sepp Linhart
Max Neubauer
Otto Oswald
Franz Rechberger
Rudolf Sommersgutter
Koloman Wallisch

Tafel 10 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Frauen im Widerstand für die Demokratie 1934

Auch Frauen waren im Februarwiderstand beteiligt. Sie haben die Kämpfer mit Kaffee, Tee, Medizin und Nahrung versorgt. Frauen wirkten mit an militärischen Aktionen wie dem Transport und dem Laden von Waffen sowie dem Aufbau von Barrikaden. Außerdem haben sie Flüchtende versteckt und dienten als Fluchthelferinnen. Nach den Kämpfen waren Frauen als Aktivistinnen in der Arbeiter*innenbewegung tätig. Sie sammelten Unterschriften für die Freilassung von Inhaftierten und halfen bei der Herstellung und Verteilung von illegalem Propagandamaterial.

Paula Wallisch mit dem Trofaiacher Schutzbund. Foto: Stadtmuseum Bruck an der Mur

 

Paula Wallisch (7.6.1893 bis 19.7.1986)
Wallisch war eine österreichische Politikerin und Widerstandskämpferin. Sie stammte aus einer Arbeiterfamilie in Kärnten und war als Erzieherin tätig. Durch ihren Mann Koloman Wallisch, mit dem ihr Lebensweg verbunden war, war sie in die sozialdemokratische Arbeit involviert. 1921 zog das Ehepaar nach Bruck an der Mur. Dort leisteten sie gemeinsam in den Februarkämpfen Widerstand. Aufgrund dessen bekam Paula eine Haftstrafe. Danach ging sie in die Tschechoslowakei. Während der Nazizeit kam sie unter dem falschen Namen Fuhrmann zurück nach Graz. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war sie neben der Arbeit als Parlamentarierin ein aktives Mitglied in Frauen- und Kinderorganisationen.

Maria Fertner (1895 bis 1945)
Maria Fertner war seit 1916 in der Sozialdemokratie tätig und engagierte sich in den Frauenorganisationen ihrer Heimatgemeinde Bruck an der Mur. Sie war mit Hans Fertner verheiratet und hatte ein Kind. Mit ihrer Freundin Paula Wallisch war sie an den Februarkämpfen beteiligt. Danach wurde Fertner wegen Hochverrats angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Ob sie dort ihre Strafe absaß, ist unklar. Während des Zweiten Weltkriegs betreute sie die Ausgabestelle für Lebensmittelkarten in Bruck an der Mur. Nach Ende des Krieges nahm sich Maria Fertner das Leben. Die genauen Todesumstände konnten nicht geklärt werden.

Hilde Kohlbacher (1917 bis 2002)
Zur Zeit der Februarkämpfe war Hilde Kohlbacher 17 Jahre alt und als Schneiderin tätig. Als sie am 12. Februar 1934 von ihrer Arbeit nach Hause wollte, war der Weg abgeschnitten. Daher musste sie einen Umweg über die zugefrorene Mur machen und fiel dabei ins eiskalte Wasser. Später hörte sie auf der Straße, dass dringend die Versorgung der Verwundeten nötig war. Gegen den Willen ihrer Eltern eilte siezu Hilfe. Dabei erlitt sie einen Kopfschuss, der ihr beinahe das Leben kostete.

Paula Wallisch, Maria Fertner und Hilde Kohlbacher, drei mutige sozialdemokratische Widerstandskämpferinnen aus Bruck an der Mur, seien stellvertretend für die Frauen im Widerstand für die österreichische Demokratie in der Zeit von 1934 bis 1938 gewürdigt!

Tafel 11 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Biografie Paula und Koloman Wallisch

Paula Wallisch (7.6.1893 bis 19.7.1986) entstammte einer Arbeiterfamilie in Kärnten. Sie absolvierte in Marburg an der Drau (heute Maribor) ihre Schulzeit. In Szeged traf sie ihren späteren Ehemann Koloman Wallisch. Beide spielten nach dem Ersten Weltkrieg in der ungarischen Revolution eine bedeutende Rolle. Nach der Konterrevolution mussten beide aus Ungarn flüchten. Doch selbst Maribor bot keine ausreichende Sicherheit, sodass sie weiter nach Fürstenfeld flohen. Am Parteitag der Sozialdemokraten des Jahres 1920 lernte das Ehepaar Wallisch den damaligen Bürgermeister von Bruck an der Mur kennen, der beide überzeugte, 1921 nach Bruck zu überzusiedeln. Nach den Februarkämpfen 1934 wurde Koloman Wallisch am 19. Februar 1934 vom austrofaschistischen Standgericht hingerichtet.

Paula Wallisch bei ihrer Verhaftung in Handschellen. Foto: DÖW

In ihrem Werk „Ein Held stirbt“ beschreibt Paula die Februarkämpfe aus autobiographischer Sicht. Nach dem Tod ihres Mannes und der Verbüßung einer Haftstrafe ging sie wieder nach Maribor. Mit Unterstützung Otto Bauers gelangte sie in die Tschechoslowakei. Nach der Errichtung des Reichsprotektorats kehrte sie unter dem falschen Namen Fuhrmann nach Graz zurück, arbeitete im dortigen Krankenhaus und blieb im Widerstand aktiv. In der Zweiten Republik gehörte Paula von 1945 bis 1956 dem Nationalrat an. Zudem war sie aktives Mitglied in verschiedenen Frauen und Kinderorganisationen. Paula Wallisch wurde mit dem Ehrenring des Landes Steiermark ausgezeichnet.

Koloman Wallisch (28.2.1889 bis 19.2.1934) wurde in Lugos, Königreich Ungarn, geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters musste er bereits als Elfjähriger eine Maurerlehre beginnen. Im Jahr 1905 trat er in die Gewerkschaft ein und engagierte sich in der ungarischen sozialdemokratischen Partei. Nach dem Lehrabschluss führte ihn sein Weg als Wandergeselle in den österreichischen Teil der Monarchie und nach Deutschland. Nach Ableistung seines Wehrdienstes kämpfte er im Ersten Weltkrieg an mehreren Fronten bis zur Auflösung der kaiserlichen Armee 1918.

Koloman Wallisch bei seiner Verhaftung in Handschellen. Foto: DÖW

Danach kehrte er ins Banat zurück, organisierte dort einen Arbeiterrat und knüpfte Kontakte zu den ungarischen Kommunisten. Am 21. März 1919 rief Béla Kun in Budapest die Ungarische Räterepublik aus. Als im August 1919 tschechoslowakische und rumänische Truppen schließlich Budapest einnehmen konnten, zerbrach die Rätediktatur. Die Funktionäre mussten ins Ausland fliehen. Wallisch ging zunächst nach Marburg. Nachdem er dort versucht hatte, Streiks zu organisieren, wurde er nach Österreich ausgewiesen. So kam Wallisch in die Steiermark und war in der Folge Parteisekretär und Gemeinderat in Bruck an der Mur, Landesparteisekretär der SDAP, steirischer Landtagsabgeordneter und von 1930 bis 1934 Abgeordneter im österreichischen Nationalrat. Nach dem Scheitern der Februarkämpfe wurde Wallisch am 18. Februar 1934 bei Ardning festgenommen. Am 19. Februar 1934 wurde er von einem Leobener Standgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Um ihn zum Tode verurteilen zu können, war die Wirksamkeit des Standrechts von der Regierung Dollfuß bis zur Verhaftung Wallischs verlängert worden.

Tafel 12 des Koloman-Wallisch-Gedenkweges

Die Lehren für die Zukunft der Demokratie

“Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.” Sir Winston Churchills Bonmot lässt sich auf die von Engelbert Dollfuß inszenierte Errichtung einer Kanzlerdiktatur und auf das im Jahr 1938 anknüpfende, noch inhumanere NS-Regime anwenden. Welche Ankerpunkte für die Zukunft der Demokratie liefert die Rückschau?

Demokratie braucht Respekt und wechselseitige Wertschätzung
Die Radikalisierung der politischen Gegner in der Ersten Republik erfolgte schrittweise, keineswegs von Jetzt auf Dann. Die Demokratie braucht Respekt und wechselseitige Wertschätzung des jeweils Andersdenkenden trotz harter Auseinandersetzungen.

„Wehret den Anfängen“ und Demokratie als Wert an sich
Die Parole „Wehret den Anfängen“ gilt ungebrochen, bedarf jedoch der Fähigkeiten wachsamer Bürger*innen, um die Anfänge des Starts in den Abgrund zu erkennen, rechtzeitig dagegen aufzutreten und Bündnisse zu schmieden. Wer sich zur Demokratie ambivalent verhält, der darf sich über das Erwachen in einer Diktatur nicht wundern. Der Untergang der Ersten Republik gründet in einer zu gering ausgeprägten, gelebten Haltung für die Demokratie als Wert an sich, nicht nur als Vehikel zur Realisierung von politisch-ideologischer Programmatik.

All- und Einheilsvisionen führten stets zu millionenfachem Unheil
Der Philosophie der Postmoderne verdanken wir die Einsicht, dass in totalitärer Rhetorik formulierte All- und Einheilsvisionen des „Zeitalters der Extreme“ stets zu millionenfachem Unheil geführt haben: Ob „Ein Volk, ein Reich ein Führer“ oder mit Waffengewalt durchgesetzte Wahrheitsansprüche kommunistischer oder religiöser Ideologien: Stets bezahlten Millionen Menschen mit ihrem Leben für die Versuche, All- und Einheilsvisionen Wirklichkeit werden zu lassen.

Nutzung von Handlungsspielräumen und Vorrang der Sachpolitik
Die Feinde der Demokratie nutzten ihre Handlungsspielräume zur Beseitigung der Demokratie wirkungsvoller als dies die Verteidiger der Demokratie vermochten. Für die Stabilisierung von Demokratie braucht es daher Vernunft, Vertrauen, Besonnenheit, Ausdauer und kluges Handeln im Geiste der Verfassung und des Rechtsstaates. Populistische Politik, die sich nur noch als mediale Inszenierung begreift, befeuert von Meinungsforschung, Schlagzeilen und Echokammern, wird die Krise der Demokratie verschärfen. Eine demokratieförderliche Politik der Zukunft muss die sachpolitischen Interessen von der Gemeinde- bis zur Europaebene über die Kurzfristigkeit von Parteiinteressen und Umfrageergebnissen stellen, was freilich Mut und Haltung erfordert.

Persönliche Beteiligung am politischen Prozess
Sudern, Raunzen und Nörgeln bei unterentwickeltem gesellschaftlichem Engagement tragen zur Erosion der Demokratie bei. Die Bürger*innen als Souverän der Demokratie mögen sich mit Zuversicht und Beharrlichkeit in den demokratischen Prozess einbringen. Das beginnt mit seriöser Information über politische Themen. Es setzt sich fort im politischen Dialog im Alltag, in der Arbeitswelt und in digitalen Räumen, in der Teilnahme an Wahlen bis zur Übernahme von Verantwortung in Gemeinden, Unternehmen, Parteien, Kammern und im Vereinswesen.

Gestatten Sie uns eine Frage am Ende des Koloman-Wallisch-Weges: Auf welche Weise werden Sie und Ihr persönliches Umfeld sich engagieren für die Lösung der brennenden Themen unserer Zeit? Senden Sie uns bitte Ihre Antwort via Mail an: graz@argejugend.at

Die Beiträge der vier Partnerschulen

BAFEP Bruck an der Mur:

Musikschule Trofaiach:

 

BHAK Eisenerz:

HLW Schrödinger Graz:

Hier klicken, um die Präsentation zur Eröffnung des Koloman-Wallisch-Gedenkweges am 25.10.2022 im Brucker Rathaushof zu sehen

Die ProjektpartnerInnen

Stadt Bruck an der Mur: Finanzier und Auftraggeber
ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus: Ausführender Projektträger
Unsere 4 Partnerschulen:
BAFEP Bruck an der Mur
Musikschule Trofaiach
BHAK Eisenerz
HLW Schrödinger Graz

Arbeitsgemeinschaft Koloman Wallisch: Ideengeber beider Wallisch-Gedenkwege 2004 und 2022 (Peter Koch, Harald Fladischer, Peter Ederer, Willi Fürbass)

Projektteam der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus:
Christian Ehetreiber
Anja Grabuschnig
Rabia Janisi
Saskia Schuligoi
Martina Weixler

Projektteam der Stadt Bruck an der Mur:
BGM Peter Koch
STR DDr. Werner Anzenberger
STRin Claudia Dornhofer
Ing. Sandra Brandner
Mag. Markus Noll
Mag. Werner Reinprecht
Wolfgang Schutting
Mag. Sonja Wirnsberger

Textierung der 12 Tafeln: Werner Anzenberger, Christian Ehetreiber, Anja Grabuschnig
Gestaltung: Saskia Schuligoi
Partnerschulen: BAFEP Bruck an der Mur, Musikschule Trofaiach, BHAK Eisenerz, HLW Schrödinger Graz
Druck: druck.at Druckund Handelsgesellschaft mbH
Bilder und Materialien: AGKW, DÖW, Universalmuseum Joanneum Graz/Multimediale Sammlungen, Stadtmuseum Bruck an der Mur

Videos

Mit freundlicher Unterstützung von

  • Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus
  • Zukunftsfonds der Republik Österreich
  • ak

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